Den Vögeln auf der Spur
Im August informierten wir euch über das Projekt der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Garthe von der CAU Kiel, in dem erstmals in Schleswig-Holstein Rotmilane mit GPS-Sendern ausgestattet wurden. Durch die Speicherung der Flugrouten wurden die Aufenthaltsorte der Vögel lokalisierbar – tagsüber u.a. Orte der Nahrungsaufnahme und nachts Schlafplätze, die erfahrungsgemäß häufig von mehreren Individuen genutzt werden.
Junge Rotmilane haben im ersten Lebensjahr eine statistische Überlebenswahrscheinlichkeit von ca. 60 % (Prädation, Nahrungsmangel, Vergiftungen, Erkrankungen, Unfälle). Haben sie die ersten Jahre geschafft, wird es deutlich besser. Um so erfreulicher ist die Tatsache, dass auch die besenderten Jungvögel nach gut fünf Lebensmonaten alle noch fliegen und die Übertragung der GPS-Daten aller besenderten Vögel reibungslos funktioniert.
Im Folgenden einige erste Eindrücke: Die mit ihren ersten Flügen besonders im Fokus der Pat*innen stehenden jungen Rotmilane absolvierten zwischen dem 20. Juni und 20. Juli ihre ersten Kurzflüge im und um den Brutwald. Im Anschluss wiesen die Trackingdaten die ersten längeren Flüge außerhalb des näheren Nestumfeldes nach, wobei der Neststandort bei einigen Jungvögeln noch das Aktivitätszentrum darstellte. Alle anderen verließen das Nestumfeld Anfang August und suchten andere Bereiche in Schleswig-Holstein auf.
Bis Ende September befanden sich alle Rotmilane noch in Schleswig-Holstein – teilweise auf Erkundungsflügen ohne längere Aufenthaltsdauer aber meistens auch länger an einem Ort bzw. in einem Gebiet verweilend. Phasenweise hielten sie sich in Gebieten auf, die uns schon als Rotmilan-Sammelgebiete bekannt sind, schliefen in den bekannten Feldgehölzen, flogen bekannte Reviere und Nahrungsflächen ab. Meist nutzten sie jedoch solche Gebiete, in denen (bisher) kein Sammelgeschehen bekannt ist und in denen bisher keine bzw. keine auffälligen Sichtungen bei ornitho.de gemeldet worden waren. Beispielsweise hielt sich ein Vogel 25 Tage lang in der Nähe von Emkendorf auf (Abbildung 1), wo in den vergangenen 12 Monaten keine Rotmilansichtung gemeldet worden waren.
Abbildung 1: Einer der Rotmilane in einem vermutlich guten Nahrungshabitat bei Emkendorf. Karte: OSM, CLC. Daten: CAU
An dieser Stelle möchten wir darum bitten, beobachtete Rotmilane bei ornitho.de zu melden, weil jede einzelne Sichtung wertvolle Hinweise geben kann.
Einer der Paten suchte beispielsweise ein Gebiet auf, das von dem aus seiner Patenschaft stammenden Rotmilan regelmäßig aufgesucht wurde: „Ich fuhr gestern nach Seth, dem letzten intensiven Aufenthaltsort des Vogels und suchte ihn. Ich fand einen geeigneten Beobachtungsplatz und beobachtete von 16.00–18.00 Uhr. Peu à peu zeigten sich insgesamt vier Rotmilane (3 adult, 1 juvenil) die alle auf dieser Fläche jagten. Leider konnte ich unseren Vogel nicht zweifelsfrei identifizieren, denn ich sah den Sender nicht. Sie flogen tief, dann nach einer engen Kurve herabschießend, als hätten sie eine Maus gesehen und nahmen etwas vom Boden auf. Verblieben dort zuweilen, liefen ein paar Schritte, nahmen erneut etwas auf, flogen wieder auf und landeten in ähnlicher Weise 30 Meter weiter oder zogen sich nach einer Weile in umliegende Bäume zurück. Sobald sie am Boden saßen, folgten ihnen Elstern, vermutlich in der Hoffnung einen Happen abzubekommen.
Der Acker ist sehr lückig mit 5 bis 10 cm hoch gewachsenen Erbsen. Das betreffende Feld ca. 16 ha groß, sehr lockere Bodenverhältnisse und trocken. Die umgebenden Felder sind mit Intensivgras (gemäht) bebaut, Mais, abgeerntetes Getreide, etc. Insgesamt ist in der Umgebung eine landwirtschaftliche Standardbebauung. Hier jedoch ein Erbsenacker umgeben von Knickeichen, die den Vögeln als Rückzugs- und vermutlich auch als Schlafraum dienen. Dieser Acker scheint mir einzigartig in der betreffenden Agrarlandschaft. Zunächst glaubte ich hier würden Mäuse gejagt, dann sah ich allerdings zweifelsfrei, dass Regenwürmer erbeutet und verspeist wurden.“
Die Sender können je nach Lichtverhältnissen alle paar Minuten die exakte Position des Vogels mit Höhe, Geschwindigkeit und Beschleunigung aufzeichnen. Es ist also sehr gut möglich, die Schlafplätze und auch die genauen Orte, wo Nahrung aufgenommen wurde, festzustellen. Wir freuen uns also auf viele weitere Auswertungen über diese ersten Eindrücke hinaus und können sehen, dass wir unser Vorhaben, die Orte zu identifizieren, wo ggfs. vergiftete Nahrung aufgenommen wurde, umsetzen können.
Die Reise beginnt
Die traditionellen Überwinterungsgebiete der Rotmilane liegen in Südwesteuropa (Spanien, Frankreich und Portugal). Seit einigen Jahrzehnten überwintern die Vögel auch zunehmend in Deutschland, insbesondere im Harzvorland. Das erste Überwinterungsgebiet in Schleswig-Holstein wurde im Winter 2020/21 festgestellt, mittlerweile sind drei winterliche Sammelgebiete bekannt.
Die besenderten Rotmilane verblieben nicht in Schleswig-Holstein, sie begannen ihren Zug in die Überwinterungsgebiete fast alle Ende September. Hierbei legen sie tägliche Flugdistanzen von im Schnitt 150 km zurück.
Abbildung 2: Drei der besenderten Rotmilane haben unabhängig voneinander aber sehr synchron bald die Pyrenäen erreicht. Karte: OSM, Daten: CAU
Es bleibt weiterhin spannend, auf diesem Wege an den Routen der Vögel teilhaben zu können und wir hoffen natürlich sehr, dass unsere schleswig-holsteiner Jungvögel zu den 60 % der Überlebenden des ersten Lebensjahres gehören werden.
Wir wünschen – nicht nur – unseren Sendervögeln, dass sie ihre weiteren Zugwege und die Aufenthalte in ihren Überwinterungsgebieten möglichst unbeschadet überstehen und nicht von ernsthaften Erkrankungen, Prädationen, Unfällen (Straßen- und Bahnverkehr, Kollisionen mit Hochspannungsleitungen oder Windenergieanlagen), Vergiftungen und sonstiger illegaler Verfolgung betroffen sein werden! Wir danken dem Team von Stefan Garthe für die spannenden Daten und halten euch auf dem Laufenden.
Sonnige Grüße aus Südwest-Frankreich von unseren Ziehenden und viele Grüße aus dem eher trüben Schleswig-Holstein vom Projektteam.