Nicht alle wurden flügge, Vergiftungen nachgewiesen
Nun liegt die Brutsaison schon fast wieder hinter uns. Die Rotmilan-Pat*innen haben viel Zeit und Kraft aufgewendet und unseren Rotmilanen Luft unter die Flügel gefächert. Das hat an vielen Standorten wunderbar geklappt: In Mannhagen sind z.B. zwei Junge, bei Bothkamp sogar in zwei benachbarten Revieren jeweils drei Junge flügge geworden. In anderen Revieren sind dagegen im Nestlings- und Ästlingsstadium noch Jungvögel von Prädatoren erbeutet worden, aber in den meisten Fällen sind die Nestgeschwister noch flügge geworden.
Eine sehr traurige Entdeckung machten die Pat*innen bei ihren Revier-Kontrollen bei Kalübbe. Der unberührte vollständige Kadaver von einem Jungvogel lag einige Meter vom Nestbaum entfernt tot am Boden. Die beiden Jungen waren einige Tage zuvor schon als Ästlinge in den Zweigen um das Nest unterwegs. Bei der Bergung des Jungen fiel der zweite Jungvogel im Nest auf, der sich auch nach langer Beobachtungszeit nicht mehr regte und seine Position im Nest auch über Nacht nicht geändert hatte. Daraufhin wurde der Nestbaum erklettert und auch der Tod des zweiten Jungen festgestellt. Beide Jungvögel wurden samt einer angekröpften Ratte, die sich im Nest befand, zur Untersuchung in das Landeslabor Neumünster verbracht.
Bei beiden Jungvögeln kann eine Prädation ausgeschlossen werden, da sie unverwertet aufgefunden wurden, d.h. sie waren weder gerupft noch wurde an den Körpern gefressen. Der am Boden liegende Vogel war schon mehrere Tage tot und durch Zersetzungsprozesse quasi fleischlos, der im Nest befindliche Jungvogel war erst wenige Stunden tot und somit noch in einem guten Zustand. Wir hoffen auf aussagekräftige Befunde aus dem Landeslabor bzw. von den toxikologischen Untersuchungen der Uni Göttingen.
Wir hatten früher schon einmal darauf hingewiesen, dass die Projektgruppe auch Personen und Rotmilanvorkommen außerhalb des Projektgebiets betreut. Im Raum Lübeck ist Lisa Rodewald aktiv, sie fand leider am 3. Juli einen fast flüggen Rotmilan tot unter dem Nest. Als sie am 4. Juli erneut kontrollierte, fand sie an fast gleicher Stelle wieder einen toten Jungvogel. Beide Kadaver wurden in unnatürlicher Rückenlage gefunden, einer mit abgespreizten Beinen (Foto). Es war klar, dass diese beiden Vögel vergiftet und nach dem Herabfallen auf den Boden quasi tot waren. Die unterschiedlichen Todeszeitpunkte wurden als Indiz für einen Giftstoff mit verzögerter Wirkung gewertet, was typisch für Coumarinderivate in Rattengiften ist.
Beide Kadaver waren zur tiermedizinischen Untersuchung in das Landeslabor nach Neumünster verbracht worden, wo auch Proben für die toxikologische Untersuchung entnommen wurden. Dieser Verdacht wurde durch die nun vorliegenden Ergebnisse bestätigt. Beide Rotmilane sind durch eine Vergiftung mit Coumarinderivaten verendet.
Wie ist dieser Sachverhalt zu bewerten?
Die von Herstellerseite in Frage gestellte Möglichkeit von Sekundärvergiftungen ist also wieder einmal nachgewiesen.
Es ist zu vermuten, dass die Altvögel eine noch lebende oder frischtote Ratte in den Horst eingetragen hatten, von der beide Jungvögel gefressen hatten. Wir gehen davon aus, dass die Beute aus einer Rattenbekämpfungsmaßnahme stammt. Ob diese sachgerecht durchgeführt worden war, entzieht sich unserer Kenntnis.
Einer der an Rattengift verstorbenen jungen Rotmilane. Foto: L. Rodewald
Die Untersuchungen zu dem im Revier Pettluis aufgefundenen Altvogel konnten die Todesursache wegen der zu langen Liegezeit leider nicht ermitteln. Wir gehen wegen der Auffindesituation aber weiterhin von einer Vergiftung aus und es fand eine Rattenbekämpfungsaktion im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang statt. Hier die Pressemitteilung der Naturschutzgemeinschaft Blunkerbach zu diesem Fall:
„Pressemitteilung 10.07.2025
Naturschutzgemeinschaft Blunkerbach e.V.
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Sehr geehrte Redakteure und Redakteurinnen,
dem Vorstand der Naturschutzgemeinschaft Blunkerbach e.V. liegt der Schutz des Rotmilans besonders am Herzen. So engagieren wir uns seit Gründung des gemeinnützigen Vereins im Jahr 2018 insbesondere für den Schutz dieses europäischen Greifvogels, der als sogenannte Verantwortungsart in Deutschland von nationaler Bedeutung ist, weil nahezu 60% der weltweiten Rotmilan-Population ihren Nachwuchs in Deutschland aufzieht. Unser langjähriges Engagement fließt seit 2021 in das Artenschutzprojekt „Rotmilan Schleswig-Holstein“ ein, das von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft SH/HH getragen wird.
Im Mai dieses Jahres fanden wir in unmittelbarer Nähe eines der von uns betreuten Nester in unserer Region ein totes Rotmilan-Weibchen, das bereits ca. drei Wochen gebrütet hatte. Damit war nicht nur ein Elternvogel tot, sondern die gesamte Brut verloren, da ein Elternvogel allein das Gelege nicht weiter versorgen kann.
Die Auffindesituation sprach für eine Vergiftung des Greifvogels. Er wurde von uns in das Landeslabor SH zur toxikologischen Untersuchung gegeben. Von dort wurden weitere Gewebeproben zur spezifischen Analyse an die Uni-Göttingen versendet. Da der Zersetzungszustand des Kadavers allerdings bereits sehr fortgeschritten war, konnten keine Gifte identifiziert werden. Vier gängige Vogelkrankheiten konnten jedoch als Todesursache ausgeschlossen werden.
Der tote Greifvogel und die verlorene Brut ist auch deshalb besonders bedauerlich, weil vermutlich das gleiche Brutpaar im Jahr 2024 an gleicher Stelle erfolgreich zwei Jungvögel erbrütet hatte und daher die Erfolgsaussichten in diesem Jahr besonders gut waren. Dass keine eindeutige Klärung der Todesursache möglich war, ist besonders vor dem Hintergrund unzufriedenstellend, als dass dieser Fund aufgrund der Fundumstände darauf hindeutet, dass es der dritte Vergiftungsfall von Rotmilanen nach den Jahren 2018 und 2022 in dieser Region sein könnte. Sollte in diesem Fall keine Artenschutzkriminalität vorliegen, also keine willentliche Vergiftung stattgefunden haben, so kommt als Todesursache auch eine unbeabsichtigte Vergiftung infrage, zum Beispiel durch eine professionelle Rattenbekämpfung, die die Gemeinde Blunk – wie auch andere Gemeinden – in diesem Frühjahr an den Klärteichen durchführen ließ. Daher muss für die Zukunft in jedem Fall sichergestellt sein, dass Sekundärvergiftungen gegenüber anderen Lebewesen im Rahmen einer professionellen Schädlingsbekämpfung ausgeschlossen werden. Der schöne Wappenvogel der Gemeinde Blunk sollte hier schließlich einen wirklich sicheren Lebensraum zum Aufziehen seines Nachwuchses finden.“
In den nächsten Jahren werden wir hoffentlich in der Lage sein, zu ermitteln, wo die Rotmilane sich vor so einem Ereignis aufgehalten und Nahrung aufgenommen haben. Über die Besenderung der ersten Rotmilane in Schleswig-Holstein berichten wir im nächsten Beitrag.